Märcheninterpretation
Machen wir uns nichts
vor - mit dem Teufel haben wir nichts zu tun, den gibt es nämlich
gar nicht. Bloß - dass wir, wenn wir etwas unbedingt erreichen
wollen, sagen: "Das müsste doch mit dem Teufel zugehen,
wenn das nichts wird" irritiert. Und wenn wir mit jemandem
nicht zurecht kommen, wünschen wir ihn zum Teufel; wohl,
damit er sich dort bessert.
Der Teufel mit den drei goldenen Haaren
Bei dieser Geschichte handelt
es sich um ein Volksmärchen, es gehört uns allen, hier
gibt es kein copyright, und jeder kann es ungestraft weiterverbreiten.
Wir können ungezählte neue Varianten erfinden, zugleich
neue Interpretationen liefern, und jeder kann herauslesen, was
er so braucht. Open Source, sozusagen.
Es war einmal eine arme Frau, die gebar ein Söhnlein, und
weil es eine Glückshaut um hatte, als es zur Welt kam, so
ward ihm vorhersagt, es werde im
vierzehnten Jahr die Tochter des Königs zur Frau haben.
Warum fragt man sich bei der Geburt eines
Kindes, was aus ihm werden wird; was ist das Wesen solcher Vorhersagen?
Z.B. gibt es eine Parallele zur Geburt des Narziß; hier
fragte man, ob er alt werde, und der Prophet Tiresias antwortete:
"Ja, wenn er sich fremd bleibt."
Da eine Glückshaut großes Glück im Leben bedingt,
wäre die genaue Prophezeihung eigentlich überflüssig
- nur wissen wir gar nicht, worum es sich bei der Glückshaut
handelt ... Als Anzeichen von "Glück" wird angeblich
bei manchen Indianerstämmen die um den Hals gewundene Nabelschnur
gesehen - diese Kinder werden einmal große Künstler
- sagt man dort voraus; man macht aus der Not eine Tugend.
Mit oder ohne Glücksverheissung können wir die Haut
als Hülle verstehen: "Indem die Haut den ganzen Körper
umhüllt, vermittelt sie jede mögliche Berührung, jeden Wärme-
oder Kältereiz. Sie atmet und ist am Stoffwechsel beteiligt, spielt
aber auch in psychischer Hinsicht eine bedeutende Rolle: Sie fungiert
als Hülle und Schutz, als Grenze zwischen innen und außen. Die
Erfahrungen, die der Mensch über und durch seine Haut macht, bestehen
in unterschiedlichsten Informationen, Anregungen, Eindrücken;
sie dienen der Kommunikation und Vermittlung und tragen wesentlich
zur Entwicklung von Wahrnehmung und Denken bei." aus:
Kindergartenpädagogik
)
Es trug sich zu, dass der König bald darauf ins Dorf kam,
und niemand wusste, dass es der König war. Als er die Leute
fragte, was es Neues gäbe, so antworteten sie: "Es ist in
diesen Tagen ein Kind mit einer Glückshaut geboren: was so
einer unternimmt, das schlägt ihm zum Glück aus. Es
ist ihm auch vorausgesagt, in seinem vierzehnten Jahre solle er
die Tochter des Königs zur Frau haben."
Der König, der ein böses Herz hatte und über die
Weissagung sich ärgerte, ging zu den Eltern, tat ganz freundlich
und sagte: "Ihr armen Leute, überlasst mir euer Kind, ich
will es versorgen." Anfangs weigerten sie sich, da aber der fremde
Mann schweres Gold dafür bot, dachten sie: "Es ist ein Glückskind,
es muss doch zu seinem Besten ausschlagen," so willigten sie endlich
ein und gaben ihm das Kind.
Wir dürfen
hier bezweifeln, dass die Eltern das Beste für ihr Kind wollten
- schließlich ist das Hergeben einer Ware gegen Geld immer
noch ein Verkauf; das schwere Gold lässt nicht nur die Mutter
schwach werden. Blutsbande sind gegenüber der Loyalität
zur Herrschaft das schwächere Argument, auch zur Verteidigung
des Vaterlandes werden auf allen Seiten "dem König"
die Kinder überlassen.
Der König legte es in eine Schachtel und ritt damit weiter,
bis er zu einem tiefen Wasser kam. Da warf er die Schachtel hinein
und dachte bei sich: "Vor dem unerwarteten Freier habe ich meine
Tochter geholfen."
Unser König vertraut hier einerseits
der Prophezeihung und ist bereit, den "Thronfolger"
zu töten, andererseits will er in das geweissagte, unabänderliche
Schicksal eingreifen. Dass er das Kind dem Schicksal überlässt,
ihm noch eine kleine Chance lässt, ist in gewisser Weise
folgerichtig:
Die Schachtel aber ging nicht unter, sondern schwamm wie ein Schiffchen,
und es drang auch kein Tröpfchen Wasser hinein.
So schwamm sie bis zwei Meilen von des Königs Hauptstadt
fort, bis hin zu einer Mühle, an deren Wehr sie hängen
blieb. Ein Mahlbursche, der glücklicherweise da stand und
sie bemerkte, zog sie mit einem Haken heran und meinte große Schätze
zu finden, als er sie aber aufmachte, lag ein schöner Knabe
darin, der ganz frisch und munter war.
Er brachte ihn zu den Müllersleuten, weil diese keine Kinder
hatten. Die Müllersleute freuten sich und sprachen: "Gott
hat es uns beschert." Sie pflegten den Findling wohl, und er wuchs
in allen Tugenden heran.
Das Glück, ein
Kind zu bekommen, Kinderwunsch, Adoption und das Bedürfnis,
Nachwuchs aufzuziehen. Wir sehen, bzw. nehmen an: Erziehung zur
Tugend ist Erziehung in Tugend. Die Eltern sind geeignetes Vorbild
und schaffen eine gedeihliche, heute würde man sagen: förderliche
Umgebung bzw. Beziehung. Was unter Tugend genau zu verstehen ist,
mag nicht allgemein geläufig sein, wenn dies auch bisher
oft genug untersucht worden sein mag, wie auch die Untugenden,
oder Todsünden:
Nehmen wir an dieser
Stelle, bei der moralischen Unterscheidung von Gut und böse,
noch die Gegensatzpaare
Gleichgültigkeit
- Entschlossenheit und
Trägheit - Energie hinzu ...
Im Kloster
Andechs ist die Tugendlehre als Deckengemälde allegorisch
verbildlicht:
Klugeit,
Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß.
Dass die "Mutter
aller Tugenden" bei den Benediktinern "Discretio"
heißt: "Unterscheidungsgabe: Jedem zuteilen, was ihm
zukommt, damit die Starken finden, wonach sie verlangen, und die
Armen nicht davonlaufen", wollen wir hie auchnicht verschweigen.
Es trug sich zu, dass der König einmal bei einem Gewitter
in die Mühle trat und die Müllersleute fragte, ob der
große Junge ihr Sohn wäre. "Nein," antworteten sie, "es ist
ein Findling, er ist vor vierzehn Jahren in einer Schachtel ans
Wehr geschwommen, und der Mahlbursche hat ihn aus dem Wasser gezogen."
Da merkte der König, dass es niemand anders als das Glückskind
war, das er ins Wasser geworfen hatte. Er sprach zu den Müllersleuten:
"Ihr guten Leute, könnte der Junge nicht einen Brief an die
Frau Königin bringen, ich will ihm zwei Goldstücke zum
Lohn geben?" "Wie der Herr König gebietet," antworteten die
Leute, und hießen den Jungen sich bereit halten. Da schrieb der
König einen Brief an die Königin, worin stand "Sobald
der Knabe mit diesem Schreiben angelangt ist, soll er getötet
und begraben werden, und das alles soll geschehen sein, ehe ich
zurückkomme".
Das Märchen räumt ziemlich rigoros
mit der Vorstellung auf, dass der König/die Herrschaft stets
lautere Motive habe, sondern erzeugt ein (gesundes?) Misstrauen
gegenüber gewissen Versprechungen und Täuschungen, hier,
dass der Bote sein eigenes Todesurteil überbringen soll.
Der Knabe machte sich mit diesem Briefe auf den Weg, verirrte
sich aber und kam abends in einen großen Wald. In der Dunkelheit
sah er ein kleines Licht, ging darauf zu und gelangte zu einem
Häuschen. Als er hineintrat, saß eine alte Frau beim Feuer
ganz allein. Sie erschrak, als sie den Knaben erblickte, und fragte:
"Wo kommst du her und wo willst du hin?"
"Ich komme von der Mühle," antwortete er, "und will zur Frau
Königin, der ich einen Brief bringen soll: weil ich mich
aber in dem Walde verirrt habe, so wollte ich hier gerne übernachten."
"Du armer Junge," sprach die Frau, "du bist in ein Räuberhaus
geraten, und wenn sie heim kommen, so bringen sie dich um."
"Mag kommen, wer will," sagte der Junge, "ich fürchte mich
nicht: ich bin aber so müde, dass ich nicht weiter kann,"
Es scheint, als habe
die Prophezeihung am Anfang der Geschichte doch ihre Richtigkeit
- nichts kann unseren Helden erschüttern, und voller (Ur-)
Vertrauen kann er auch inmitten größter Gefahr seinen
Schlaf finden.
streckte sich auf eine Bank und schlief ein. Bald hernach kamen
die Räuber und fragten zornig, was da für ein fremder
Knabe läge. "Ach," sagte die Alte, "es ist ein unschuldiges
Kind, es hat sich im Walde verirrt, und ich habe ihn aus Barmherzigkeit
aufgenommen: er soll einen Brief an die Frau Königin bringen."
Die Räuber erbrachen den Brief und lasen ihn, und es stand
darin, dass der Knabe sogleich, wie er ankäme, sollte ums
Leben gebracht werden. Da empfanden die hartherzigen Räuber
Mitleid, und der Anführer zerriß den Brief und schrieb einen
andern. In diesem stand "Sowie der Knabe ankommt, soll er sogleich
mit der Königstochter vermählt werden". Sie ließen ihn
dann ruhig bis zum andern Morgen auf der Bank liegen. Als er aufgewacht
war, gaben sie ihm den Brief und zeigten ihm den rechten Weg.
Die Königin tat, nachdem sie den Brief empfangen und gelesen
hatte, wie darin stand, hieß ein prächtiges Hochzeitsfest
anstellen, und die Königstochter ward mit dem Glückskind
vermählt. Da der Jüngling schön und freundlich
war, so lebte sie vergnügt und zufrieden mit ihm.
Nach einiger Zeit kam der König wieder in sein Schloß und
sah, dass die Weissagung erfüllt und das Glückskind
mit seiner Tochter vermählt war.
"Wie ist das zugegangen?" sprach er, "ich habe in meinem Brief
einen ganz andern Befehl erteilt." Da reichte ihm die Königin
den Brief und sagte, er möchte selbst sehen, was darin stände.
Der König las den Brief und merkte wohl, dass er mit einem
andern war vertauscht worden. Er fragte den Jüngling, wie
es mit dem anvertrauten Briefe zugegangen wäre, warum er
einen andern dafür gebracht hätte.
"Ich weiß von nichts," antwortete er, "er muss mir in der Nacht
vertauscht sein, als ich im Walde geschlafen habe."
Voll Zorn sprach der König: "So leicht soll es dir nicht
werden, wer meine Tochter haben will, der muss mir aus der Hölle
drei goldene Haare von dem Haupte des Teufels holen; bringst du
mir, was ich verlange, so sollst du meine Tochter behalten." Damit
hoffte der König, ihn auf immer los zu werden. Das Glückskind
aber antwortete:
"Die goldenen Haare will ich wohl holen, ich
fürchte mich vor dem Teufel nicht."
Darauf nahm er Abschied und begann seine Wanderschaft.
Der Weg führte ihn zu einer großen Stadt, wo ihn der Wächter
an dem Tore ausfragte, was für ein Gewerbe er verstände
und was er wüsste.
"Ich weiß alles," antwortete das Glückskind. "So kannst du
uns einen Gefallen tun," sagte der Wächter, "wenn du uns
sagst, warum unser Marktbrunnen, aus dem sonst Wein quoll, trocken
geworden ist und nicht einmal mehr Wasser gibt."
"Das sollt ihr erfahren," antwortete er, "wartet nur, bis ich
wiederkomme." Da ging er weiter und kam vor eine andere Stadt.
Dort fragte der Torwächter wiederum, was für ein Gewerb
er verstünde und was er wüsste.
"Ich weiss alles," antwortete er auch dieses Mal. "So kannst du
uns einen Gefallen tun und uns sagen, warum ein Baum in unserer
Stadt, der sonst goldene Äpfel trug, jetzt nicht einmal Blätter
hervortreibt."
"Das sollt ihr erfahren," antwortete er, "wartet nur, bis ich
wiederkomme." Da ging er weiter, und kam an ein großes Wasser,
über das er hinüber musste. Der Fährmann fragte
ihn, was er für ein Gewerb verstände und was er wüsste.
"Ich weiß alles," antwortete er auch dem Fährmann. "So kannst
du mir einen Gefallen tun," sprach der Fährmann, "und mir
sagen, warum ich immer hin- und herfahren muss und niemals abgelöst
werde."
"Das sollst du erfahren," antwortete er, "warte nur, bis ich wiederkomme."
Da das Glückskind nun
auch noch drei unbeantwortete, scheinbar unlösbare Fragen
in seinem Gepäck hat, deren Beantwortung es zugesagt hat,
stellen wir fest, dass die Auftragslage für Berater doch
recht erfreulich ist. Ausreichende Bedenkzeit für schwierige
Fragen wird wohl immer zugestanden, als Glückskind nimmt
man die Fragen mit und geht davon aus, dass die Antwort sich unterwegs
schon finden wird. Interessant ist hier auch die Regelung der
Honorarfrage - eine ausdrückliche Vereinbarung wird hier
nicht erwähnt, kann nur aus dem weiteren Verlauf erschlossen
werden.
Als er über das Wasser hinüber war, so fand er den
Eingang zur Hölle. Es war schwarz und rußig darin, und der
Teufel war nicht zu Haus, aber seine Ellermutter saß da in einem
breiten Sorgenstuhl. "Was willst du?" fragte sie das Glückskind,
sah aber gar nicht so böse aus.
"Ich wollte gerne drei goldene Haare von des Teufels Kopf," antwortete
er, "sonst kann ich meine Frau nicht behalten." "Das ist viel
verlangt," sagte sie, "wenn der Teufel heim kommt und findet dich,
so geht es dir an den Kragen; aber du dauerst mich, ich will sehen,
ob ich dir helfen kann." Sie verwandelte ihn in eine Ameise und
sprach: "Kriech in meine Rockfalten, da bist du sicher."
Die Ameise ist ein staatenbildendes
Insekt; als Einzelwesen (oder Einzelkämpfer)und isoliert
leistet sie weiterhin ihren Beitrag zum Gesamtwohl: Sie vermittelt,
dass das Wissen des Teufels kein teuflisches Wissen ist. "Teuflisch"
ist Wissen um Übelstände nur, wenn es nicht weitergegeben
wird - ein Grund zur Schadenfreude ist dies dem Teufel; "dem
Teufel einen Strich durch die Rechnung machen" konnte das
Glückskind. Wir dürfen uns wundern, dass wir das Wissen,
das es uns weitergegeben hat, nicht anwenden.
"Ja," antwortete er, "das ist schon gut, aber drei Dinge möchte
ich gerne noch wissen, warum ein Brunnen, aus dem sonst Wein quoll,
trocken geworden ist, jetzt nicht einmal mehr Wasser gibt: warum
ein Baum, der sonst goldene Äpfel trug, nicht einmal mehr Laub
treibt: und warum ein Fährmann immer herüber- und hinüberfahren
muß und nicht abgelöst wird." "Das sind schwere Fragen,"
antwortete sie, "aber halte dich nur still und ruhig, und hab
acht, was der Teufel spricht, wenn ich ihm die drei goldenen Haare
ausziehe."
Als
der Abend einbrach, kam der Teufel nach Haus. Kaum war er eingetreten,
so merkte er, dass die Luft nicht rein war. "Ich rieche Menschenfleisch,"
sagte er, "es ist hier nicht richtig." Dann guckte er in alle
Ecken und suchte, konnte aber nichts finden. Die Ellermutter schalt
ihn aus: "Eben erst gekehrt," sprach sie, "und alles in Ordnung
gebracht, nun wirfst du mir alles wieder durcheinander; immer
hast du Menschenfleisch in der Nase! Setze dich nieder und iss
dein Abendbrot." Als er gegessen und getrunken hatte, war er müde,
legte der Ellermutter seinen Kopf in den Schoß und sagte, sie
sollte ihn ein wenig lausen. Es dauerte nicht lange, so schlummerte
er ein, blies und schnarchte. Da fasste die Alte ein goldenes
Haar, riß es aus und legte es neben sich. "Autsch!", schrie der
Teufel, "was hast du vor?" "Ich habe einen schweren Traum gehabt,"
antwortete die Ellermutter, "da hab ich dir in die Haare gefaßt."
"Was hat dich im Traum so erschreckt?" fragte der Teufel. "Mir
hat geträumt, ein Marktbrunnen, aus dem sonst Wein quoll,
sei versiegt, und es habe nicht einmal Wasser daraus quellen wollen,
was ist wohl schuld daran?" "He, wenn sie es wüssten!' antwortete
der Teufel, "es sitzt eine Kröte unter einem Stein im Brunnen,
wenn sie die töten, so wird der Wein schon wieder fließen."
Rational ist diese Geschichte
von dem Brunnen, der versiegt ist, ja nicht zu verstehen. Schon
gar nicht, dass er Wein spenden sollte. Aber wir leben ja in eier
dionysischen Kultur und unternehmen allerlei Anstrengungen, um
an unseren Wein zu kommen, den die Hessen untereinander ja als
ihr "Stöffchen" bezeichnen. Also verstehen wir
schon, was gemeint ist, wenn nicht nur das Wasser, das an sich
schon ein Lebenselexier ist, sondern sogar der Wein versiegt.
Ohne Wasser keine Zivilisation, ohne Wein keine gute Laune, keine
Feiern, keine Inspiration.
Dass Assoziationen fließen
und die Inspiration in Gang halten können, ist bekannt. Ideen
könnten sprudeln wie der Wein im Marktbrunnen, aber manchmal
kennen wir noch nicht einmal die "trockenen" Fakten,
unser "Brunnen" ist überhaupt versiegt.
Die Ursache, so lernen wir,
ist ein unter einem Stein verborgenes Reptil, eine Kröte,
die manche auch als Unke kennen. Konkret kann ein solches Tier
- noch dazu unter einem Stein - nichts fließendes aufhalten;
wirksam sind jedoch die Rufe der Kröte, zumal im übertragenen
Sinne als Unkenrufe, wie sie von einigen oder je nach Lage etlichen
unserer Mitmenschen ausgehen: Da wird Unheil vorausgesehen, der
Teufel an die Wand gemalt, Pessimismus geschürt und schwarz
gesehen. Düstere Voraussagungen von Verhängnis, Schicksal
und Untergang beinhalten kein Handlungskonzept für bessere
Zeiten, sondern führen schlechte Zeiten herbei, wenn sie
Glauben finden, dass sie keinen Anklang finden, läßt
sich nicht behaupten. Diese Unkenrufe haben rein garnichts
mit mutloser Depression zu tun - und wenn, dann sollen die Hörer
der Unheilsrufe, die keine Grundlage haben, infiziert werden.
Das Unheil wird nicht, wie bei Kassandra, verausgesehen,
sondern herbeigeredet.
Etymologie Unke: Das neuhochdeutsche
Wort Unke entstand durch die Verschmelzung des mittelhochdeutschen
unk = Schlange (von lat. anguis = Schlange) mit dem mittelhochdeutschen
ucha = Kröte. Schlange wie Kröte galten im Aberglauben unserer
Vorfahren als Symbole für Unheimliches und Ekliges. Entsprechend
bedeutet das Tätigkeitswort unken "unter dauerndem Gejammer Unheil
verkünden".
Die Ellermutter lauste ihn wieder, bis er einschlief und schnarchte,
dass die Fenster zitterten. Da riß sie ihm das zweite Haar aus.
"Hu! was machst du?" schrie der Teufel zornig. "Nimms nicht übel,"
antwortete sie, "ich habe es im Traum getan." "Was hat dir wieder
geträumt?" fragte er. "Mir hat geträumt, in einem Königreiche
ständ ein Obstbaum, der hätte sonst goldene Äpfel getragen
und wollte jetzt nicht einmal Laub treiben. Was war wohl die Ursache
davon?"
"He, wenn sie es wüssten!" antwortete der Teufel, "an der
Wurzel nagt eine Maus, wenn sie die töten, so wird er schon
wieder goldene Äpfel tragen, nagt sie aber noch länger, so
verdorrt der Baum gänzlich. Aber lass mich mit deinen Träumen
in Ruhe, wenn du mich noch einmal im Schlafe störst, so kriegst
du eine Ohrfeige." Die Ellermutter sprach ihn zu gut und lauste
ihn wieder, bis er eingeschlafen war und schnarchte.
Wie wichtig die Wurzel ist,
wissen wir ja schon längst, wollen radikal sein - Unkraut
und andere Übel muß man an der Wurzel packen - und
keine falschen Kompromisse machen. Leute, die sozial entwurzelt
sind, tun uns leid, und wenn wir arbeitslos sind, ist es erst
mal aus mit der Verwurzelung. Einen alten Baum verpflanzt man
nicht, und wer länger als erwartet an einem Ort verweilt,
muss sich fragen lassen, ob er Wurzeln schlagen wolle. Wir haben
eine diffuse Vorstellung davon, zurück zu den Wurzeln zu
finden, haben erfahren müssen, dass gesellschaftliche Konzepte
überwiegend als Übergangslösung produziert werden
und schauen uns das eine oder andere Märchen mit einer gewisen
Hoffnung, "back to the roots" zu gelangen, an.
Es geht hier nicht nur um
unsere Verankerung, sondern auch um unsere Versorgung mit Nährstoffen,
um unsere Organe, mit denen wir uns das, was wir brauchen,aus
unserer Umwelt beschaffen. Dieses verästelte unterirdische
Organ mit den feinen Wurzelhäärchen bestimmt die Gesundheit
des Ganzen erheblich mit, ohne es ist Alles nichts - und es ist
in hohem Maße verwundbar. Die nagende Maus verhindert den
Wohlstand. Der Schädling ist benannt und bekannt, "das
Übel an der Wurzel packen" heißt hier nun nicht,
die Wurzel auszumerzen, sondern zu schützen, die (winzige)
Maus beseitigen heißt mit einem Mal, sich radikal verhalten.
Nehmen wir an, dass das
Nagetier mit vier Buchstaben hier symbolisch für das
eigentliche Übel steht, so dürfen wir raten, was es
vertritt; nagende Zweifel legen schon mal einen Menschen
lahm, befallen uns aber nicht, wennn wir sagen, die Maus stehe
also für den Zweifel.
Kein ja, kein Nein, ständige
Unentschiedenheit, Unentschlossenheit, Unsicherheit, Hin- und
Hergerissensein: Die Begleitsymptome nagender Zweifel, die an
die Substanz gehen. Der Zweifel verstopft gewissermaßen
die Kapillaren, die unsere Lebenssäfte transportieren sollten,
ist das Übel, das an der Wurzel sitzt. Zweifeln können
wir an allem Möglichen, auch uns selbst, alles bezweifeln,
bis wir uns selbst nicht mehr eindeutig oder gar nicht mehr verhalten
und verzweifeln bis zur Unfruchtbarkeit. "Soll ich, soll
ich nicht, will ich oder nicht, darf ich oder nicht" - diese
Unentschiedenheit können wir auch unserem Gegenüber
unterstellen bis zur Beziehungsunfähigkeit.
Da fasste sie das dritte goldene Haar und riß es ihm aus. Der
Teufel fuhr in die Höhe, schrie und wollte übel mit
ihr wirtschaften, aber sie besänftigte ihn nochmals und sprach:
"Wer kann für böse Träume!". "Was hat dir denn
geträumt?" fragte er, und war doch neugierig. "Mir hat von
einem Fährmann geträumt, der sich beklagte, dass er
immer hin- und herfahren müsste, und nicht abgelöst
würde. Was ist wohl schuld?" "He, der Dummbart!" antwortete
der Teufel, "wenn einer kommt und will überfahren, so muss
er ihm die Stange in die Hand geben, dann muss der andere überfahren,
und er ist frei." Da die Ellermutter ihm die drei goldenen Haare
ausgerissen hatte und die drei Fragen beantwortet waren, so liess
sie den alten Drachen in Ruhe, und er schlief, bis der Tag anbrach.
Als der Teufel wieder fortgezogen war, holte die Alte die Ameise
aus der Rockfalte, und gab dem Glückskind die menschliche
Gestalt zurück. "Da hast du die drei goldenen Haare," sprach
sie, "was der Teufel zu deinen drei Fragen gesagt hat, wirst du
wohl gehört haben."
"Ja," antwortete er, "ich habe es gehört und werde es wohl
behalten." "So ist dir geholfen," sagte sie, "und nun kannst du
deiner Wege ziehen." Er bedankte sich bei der Alten für die
Hilfe in der Not, verliess die Hölle und war vergnügt,
dass ihm alles so wohl geglückt war. Als er zu dem Fährmann
kam, sollte er ihm die versprochene Antwort geben.
"Fahr mich erst hinüber," sprach das Glückskind, "so
will ich dir sagen, wie du erlöst wirst," und als er auf
dem jenseitigen Ufer angelangt war, gab er ihm des Teufels Rat:
"Wenn wieder einer kommt und will übergefahren sein, so gib
ihm nur die Stange in die Hand." Er ging weiter und kam zu der
Stadt, worin der unfruchtbare Baum stand, und wo der Wächter
auch Antwort haben wollte. Da sagte er ihm, wie er vom Teufel
gehört hatte:
"Tötet die Maus, die an seiner Wurzel nagt, so wird er wieder
goldene Äpfel tragen." Da dankte ihm der Wärter und gab ihm
zur Belohnung zwei mit Gold beladene Esel, die mußten ihm nachfolgen.
Zuletzt kam er zu der Stadt, deren Brunnen versiegt war. Da sprach
er zu dem Wächter, wie der Teufel gesprochen hatte:
"Es sitzt eine Kröte im Brunnen unter einem Stein, die müsst
ihr aufsuchen und töten, so wird er wieder reichlich Wein
geben." Der Wächter dankte und gab ihm ebenfalls zwei mit
Gold beladene Esel.
Endlich langte das Glückskind daheim bei seiner Frau an,
die sich herzlich freute, als sie ihn wiedersah und hörte,
wie wohl ihm alles gelungen war. Dem König brachte er, was
er verlangt hatte, die drei goldenen Haare des Teufels, und als
dieser die vier Esel mit dem Golde sah, ward er ganz vergnügt
und sprach: "Nun sind alle Bedingungen erfüllt und du kannst
meine Tochter behalten. Aber, lieber Schwiegersohn, sage mir doch,
woher ist das viele Gold? Das sind ja gewaltige Schätze!"
"Ich bin über einen Fluß gefahren," antwortete er, "und da
habe ich es mitgenommen, es liegt dort statt des Sandes am Ufer."
"Kann ich mir auch davon holen?" sprach der König und war
ganz begierig.
"So viel Ihr nur wollt," antwortete er, "es ist ein Fährmann
auf dem Fluß, von dem lasst Euch überfahren, so könnt
Ihr drüben Eure Säcke füllen." Der habsüchtige
König machte sich in aller Eile auf den Weg, und als er zu
dem Fluß kam, so winkte er dem Fährmann, der sollte ihn übersetzen.
Der Fährmann kam und hieß ihn einsteigen, und als sie an
das jenseitige Ufer kamen, gab er ihm die Ruderstange in die Hand
und sprang davon. Der König aber musste von nun an fahren
zur Strafe für seine Sünden.
Ein Land, in dem die seelischen
Quellen versiegt sind, wo man nur darauf bedacht ist, die Macht
der Gierigen zu verteidigen, wurde von der Gier regiert. Und die
gerechte Strafe für den König als Personifikation der
räuberischen Gier haben wir kennen gelernt; Jetzt darf er
ständig hin und herfahren, mit der Stange in der Hand.
Dass man diesen Fluch nur loswird, wenn man die Stange abgibt,
wissen wir also (indirekt hat es uns der Teufel gesagt) - der
Fährmann hatte erst danach fragen müssen, und dem "König"
wird es niemand gesagt haben.
"Fährt er wohl noch?" "Was denn? Es wird ihm niemand die
Stange abgenommen haben."
"Was
liegt näher als dass ich dir den Staffelstab übergebe: ... fang
eine vernünftige und nachhaltige Diät an und lass dir helfen.
20 Jahre wirst du dann nicht brauchen, aber kurzfristig, wie angeblich
mit Nulldiät geht das sowieso nicht. "
faith der Glauben faith die Gläubigkeit faith das
Vertrauen faith in der Glaube an faith in das Vertrauen auf
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